Zwischen Strophe und Refrain gelegen, wirkt er oft unscheinbar. Seine Wirkung kann aber Berge versetzen, wenn du als Songwriter weißt, wie du die Funktion des Pre-Choruses für dich nutzen kannst. Fabian Mägle und Emanuel Treu unterhalten sich in dieser Diskussion über diesen Lied-Teil damit du genau weißt, worauf du bei deinem nächsten Lied achten solltest.
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Emi: Uhh… starker Call. Wieso?
Fabian: Das liegt an der Platzierung dieses Song-Teils. Weil der Pre-Chorus den Refrain einleitet, verbirgt er das Potential in sich, den Refrain noch stärker strahlen zu lassen, als er es ohnehin bereits tut. Er setzt sozusagen dem stärksten Verkaufsargument (dem Chorus) noch eins drauf.
Emi: Verstehe. Du meinst, man sollte ihn auch so schreiben? Mit dem Gedanken im Kopf, den Refrain strahlen zu lassen?
Fabian: Genau!
Emi: Für mich ist manchmal aber auch der Pre-Chorus an sich mein Lieblingsteil in Songs. Der kann so stark wirken. Woran liegt das? Hast du da eine These?
Echte Hits können durch diesen Part entstehen!
Fabian: Ja. Ich glaube, dass das daran liegt, dass der Pre-Chorus oftmals die Linearität von Songs durchbricht und dadurch besonders auffällt. Du startest mit dem Intro, dann baust du mehr Spannung auf über die Strophe, dann käme die maximale Energie im Chorus … aber genau hier durchbricht der Pre-Chorus die Erwartung. Genau das kann ihn besonders stark machen.
Welche Funktion hat der Pre-Chorus?
Fabian: Das muss man differenziert betrachten. Ein Pre-Chorus kann grundsätzlich “trennen” oder “verbinden”. Wenn Strophe und Refrain recht ähnlich klingen, sollte eine trennende Funktion im Pre-Chorus angestrebt werden, damit die Ohren eine Art Pause vom eben Gehörten bekommen und der Refrain danach wieder interessant wirkt.
Wenn die Strophe und der Chorus allerdings starke Differenzen aufweisen, wie eklatante melodisch-tonale Unterschiede, kann der Pre-Chorus auch eine “verbindende” Funktion annehmen.
Ein gutes Beispiel hierfür wäre Firework von Katy Perry. Da braucht der Refrain einfach einen Build-Up, um in vollem Glanz zu erstrahlen.
Emi: Aja, stimmt! Das ist ja ein ewiger Pre-Chorus. Der ist Hammer, mit diesen Streicherlinien und so.
Fabian: Genau. In der Melodie wird sie auch successiv höher, um sich, ausgehend von er tiefen Tonalität der Strophe, der hohen Tonalität des Choruses zu nähern. Fällt dir vielleicht ein “trennendes” Beispiel ein?
Emi: Ja. Ich habe mal eine Nummer für den Künstler Orry Jackson geschrieben. Sie hieß “Nur zu zweit sind wir eins” und hier haben wir den Prechorus bewusst kontrastierend zur Strophe angelegt. Er startet in der vierten Stufe und klingt total nach American-Pop-Music. Vor dem Refrain gibts noch einen recht langen Break, um die Trennung zu verstärken.
Höre dir jetzt den Pre-Chorus von “Nur zu zweit sind wir eins” an
Wann braucht man das?
Fabian: Wenn die Strophe sehr natürlich in den Chorus übergeht, kann man auf einen Pre-Chorus verzichten. Wenn sich diese beiden Teile aber zu ähnlich oder zu unterschiedlich sind, kann ein eingeschobener Lied-Teil sehr hilfreich sein, um diese Überbrückung zu vollziehen.
Gerade im Pre-Chorus kann deshalb der “spannendste” Moment des ganzen Songs liegen, nämlich genau dann, wenn das letzte darin vorkommende Klangerlebnis eine gewisse Instabilität hat, die zum Beispiel durch eine fünfte Stufe forciert wird. Der Refrain danach ist dann eine förmliche “Erlösung”.
Emi: Richtig cool. Ich finde die Möglichkeiten wirklich toll. Deshalb ist üblicherweise mein Default-Modus das Einbauen eines Pre-Choruses. Ich gehe meistens davon aus, diesen Song-Teil in meine Lieder einzubauen. Es ist also in seltenen Fällen eher eine aktive Entscheidung gegen diesen eingeschobenen Liedteil vor dem Refrain, weil ich diesen Teil eben gerne in meine Lieder einbaue.
Fabian: Bei mir ist das ähnlich. Ich habe diesen Lied-Teil früher eher unterschätzt. Ich merke das auch in meinen Songwriting-Coachings. Meine Coachees verwenden Pre-Choruse, aber ich merke, dass Sie sich der Funktion nicht bewusst sind. Da wird häufig einfach irgendwas gemacht, dass nicht zielführend ist. Gerade bei der wichtigen Funktion, die der Pre-Chorus hat, ist das natürlich ein Problem.
Emi: Du meinst die Funktion, den Refrain noch besser strahlen zu lassen?
Fabian: Ja, genau. Es heißt nicht umsonst Pre-Chorus, also Vor-Refrain. Dieser Lied-Teil steht also in engstem Zusammenhang mit dem, was dann danach kommt. Das kann man nicht wegreden.
Der Refrain ist in Songs halt wirklich der Bringer und wenn er noch intensiver daherkommt, dann hat das einen riesigen Wert für das Lied. Insofern ist auch bei mir der Pre-Chorus ein Standard geworden. Ich habe auch eine These, die diesen Songpart betrifft…
Emi: Ich habe da noch eine interessante These…
“Der Prechorus ist der flexibelste Songteil”
Du kannst dabei nach oben singen, oder nach unten, die Länge ist flexibel, er kann auf viel Text aufbauen oder auch nur auf ein einziges Wort! Ich finde sogar, dass das Bedürfnis zum Reim nicht im vergleichbaren Maße gegeben ist, wie in anderen Liedteilen.
Fabian: Stimmt. Krass. Man könnte plötzlich komplett neue Notenwerte oder Synkopen einführen und es würde dennoch funktionieren können. Interessant.
Jetzt, wo ich darüber nachdenke… Es macht auch immer Spaß, einen Pre-Chorus zu schreiben! Das fühlt sich nie so nach Arbeit an, weil man sich nicht so stark an vorgegebene Strukturen halten muss. Cool eigentlich.
Emi: Ich glaube sogar, dass der Pre-Chorus aufgrund dieser Freiheit, zumindest bei mir, der am schnellsten geschriebene Songteil ist. Ist das bei dir auch so?
Fabian: Absolut.
Emi: Bei anderen Liedteilen muss sehr viel mehr beachtet werden. Im Refrain brauchen wir beispielsweise sehr klare Strukturen und überlegte rhythmische Patterns, sowie Reimschemen und dergleichen. Beim Pre-Chorus kann man dagegen einfach machen, was man will.
Die hierbei entstehende Freiheit kann für Songwriter aber auch zu einer Schwierigkeit werden. Es kann die Angst entstehen, etwas falsch zu machen. Freiheit ist immer auch ein Risikofaktor. Wie triffst du diese Entscheidungen?
Wie lange darf der Pre-Chorus sein?
Fabian: Ich würde das am “Energielevel” festmachen.
Emi: Was meinst du damit?
Fabian: Ein erster Indikator für das Energielevel ist vermutlich die Tonhöhe. Es kann auch mit der Lautstärke verknüpft sein oder mit einem umfangreichen instrumentalen Arrangement. Auch die Wortdichte oder die stimmliche Energie suggerieren dieses Level.
Was ich oft mache ist, dass ich ein Lied aufnehme und es mir dann mit geschlossenen Augen anhöre. Man hört dann ganz anders und nimmt eben dieses Energielevel sehr bewusst wahr.
Genau dann merke ich, ob sich die Übergänge zwischen Strophe und Refrain natürlich anfühlen, oder eben nicht. Darauf basiere ich dann Entscheidungen, die den Pre-Chorus betreffen.
Du hast vorhin Katy Perrys Firework erwähnt. Warum geht sich, in diesem Fall, so ein langer Pre-Chorus aus? Ich denke, es sind acht Takte. Hast du eine Erklärung dafür?
Dieser Titel hat einen enorm langen und auffälligen Prechorus ab 00:44
Fabian: Die tonale Differenz zwischen der Strophe und dem Chorus ist extrem. Die Sängerin braucht also Zeit, um die Tonhöhe auf natürliche Art und Weise der Topline im Refrain anzugleichen.
Bei Miley Cyrus ist diese tonale Differenz noch höher! Sie macht aber keinen Build-Up wie Katy Perry, sondern einen krassen Power-Move. Von Tief auf Hoch. Von Null auf Hundert.
Emi: Was Miley Cyrus da macht, ist ein Stilmittel, das ich auch gerne einsetze. Sie bewegt sich am Ende des Pre-Chorus melodisch noch weiter nach unten, um den Sprung zum Refrain noch zu vergrößern.
Das hittet dann einfach doppelt so hart und passt musikalisch auch perfekt zum Titel: Wrecking-Ball! Text und Melodie bilden hier eine starke Einheit.
Es ist wichtig, dass Songwriter Musik und Text als eine Einheit betrachten. Oftmals steckt in Texten vieles drinnen, was musikalisch umgesetzt werden kann und da lautet mein Appell: Do it! Nutze das, was dir der Text offensichtlich vorgibt.
Don’t do this: Abwechslung vor dem Refrain
Fabian: Das ist wohl eine Geschmacksfrage. Da gibt es keine feste Regel. Ich würde mich tonal nicht viel bewegen und etwas melodisch total abgefahrenes machen. Unser Gehirn sucht nach Wiederholungen.
Emi: Guter Punkt. Die Einführung eines Pre-Choruses in einem Lied ist ja bereits eine weitere Detaillierung der Songstruktur, bei der es ansonsten ja nur die Strophe und den Refrain gibt.
Wenn man dann noch dazu innerhalb dieser bereits feineren Detaillierung viel verändert, wirds vermutlich schnell too much.
Wichtiges zum Text
Fabian: Ich würde derartiges Situationen abhängig machen, ich bin aber ein Freund davon, Dinge einfach zu halten.
Emi: Verstehe. Bei mir ist es so, dass ich textliche Veränderungen in einzelnen Liedteilen auch ein bisschen von der gesamten Textmenge im Song festmache. Wenn mein Song textlich recht einfach gehalten ist, neige ich dazu, einzelne Parts textlich anzureichern und umgekehrt.
Schreibe deine Ideen direkt auf!
Auch hierbei gibt es im Songwriting nicht nur schwarz und weiß. Man hat ja nicht nur die Optionen ALLES oder NICHTS zu verändern, sondern man kann auch nur ein einziges Wort austauschen.
Ein Beispiel hierfür wäre, aus dem Wort “ich” ein “wir” zu machen und schon kann sich der zweite Pre-Chorus komplett vom ersten abheben. Oft sind subtile Veränderungen sehr wertvoll.
Ganz etwas anderes: Manche Menschen scheinen auch diese zwei Begriffe zu verwechseln: “Bridge” und “Pre-Chorus”. Ich verstehe eigentlich nicht warum.
Pre-Chorus VS Bridge: DAS sind die Unterschiede
Fabian: Um himmels Willen, das stimmt. Ich begreife auch nicht, warum diese Begriffe oft so synonym verwendet werden. Diese beiden Songteile unterscheiden sich grundlegend. Die Bridge hat komplett andere Funktionen und steht auch an einem anderen Ort im Lied, nämlich üblicherweise nach dem zweiten Refrain.
Zu diesem Zeitpunkt ist im Song schon viel gesagt worden, die Message ist klar, die Struktur wurde verstanden, die Akkorde sind geläufig und dergleichen. Die Bridge bricht das dann nochmal auf, aber mehr dazu kann man HIER nachlesen.
Emi: Stimmt. Zum Zeitpunkt der Pre-Choruse ist das Kernthema im Song noch nicht endgültig transportiert worden, sondern das Lied ist erst auf dem Weg dorthin. Genau darauf bereitet der Pre-Chorus ja vor. Also, wir können das abhaken. Der Pre-Chorus und die Bridge sind unterschiedliche Liedteile, auch wenn manche Songwriter Gegenteiliges behaupten.
Diese Akkorde kannst du verwenden
Emi: In den Strophen habe ich gerne relativ ruhige Akkordfolgen, also nicht zu viele Chord-Changes und eher um die tonalen Zentren, wie die Tonika aufgebaut. Insofern nutze ich beim Pre-Chorus eher kontrastierende Akkorde, damit eine Art Überraschungseffekt entsteht.
Vielleicht die vierte Stufe, wenn die noch nicht vorkam, oder einen Einschub in Moll, wenn der den gewünschten Effekt erzielt.
Fabian: Interessant. Die vierte Stufe, also zum Beispiel der Akkord F-Dur in der Tonart C-Dur, hat den Vorteil, dass er nicht zwingend irgendwo hin tendiert. Das ermöglicht viel.
Emi: Genau. Damit entsteht exakt die Freiheit, die man im Pre-Chorus auch nutzen will. Insofern sind die subdominante Stufe und ihre Mollparallele heiße Tipps für Opener im Bereich zwischen Strophe und Refrain. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Fabian: Harmonielehre ist natürlich nochmal ein ganz eigenes Thema. Ich habe auf Youtube einige Videos, in denen ich in diesen Bereichen in die musikalische Tiefe gehe!
Emi: Nice. Ich würde den Lesern, die es bis hier geschafft haben, als abschließenden Appell noch mitgeben, dass Sie aktiv versuchen sollten, einen Vor-Refrain in ihre Songs einzubauen. https://drive.google.com/file/d/1LT7LCVnGgR8TRcRYBrCT5Xd0Brb5ToG2/view?usp=drive_link
Oftmals ist es einfacher, diesen Song-Teil einzuführen, als an Strophe und Refrain herum zu doktern, wenn sie nicht ideal zusammenpassen. Hättest du noch einen abschließenden Tipp?
Fabian: Yes. Achtet auf das Energie-Level. (lacht)
Fabian Mägel
Songwriting Coach
“Mehr als € 200 pro Stunde als Straßenmusiker zu verdienen, ist möglich”, sagt Fabian und erwähnt dabei, dass dies nur funktioniert, wenn die Songs gut sind.
Fabian von songwriting-coach.de ist selbst durch die harte Schule des Lebens gegangen und hat als Musiker in den Großstädten Deutschlands erkannt, dass gutes Songwriting bereits die halbe Miete zum Erfolg in finanzieller Hinsicht als Musiker ist.
Als viel gebuchter Songwriting-Coach zeigt er nun wissbegierigen Songwritern, welche Strategien und Methoden sich in den Charts bewährt haben und wie die absolute Hit-Formel aussieht.