Thom Caterpillar verrät im Interview mit Emanuel Treu, worauf es bei der Bandgründung ankommt, woran die meisten Acts scheitern und was du dagegen tun kannst. Für seine herausragende Technik und Soloparts bekannt, spielt er mit seiner Band Caterpillar auf großen Rockfestivals im deutschsprachigen Raum. Von den ersten Gehversuchen als Band, bis zum erfolgreichen Bandleading, lässt er im Gespräch nichts aus. Let’s go!
Emi: Wie findet man die richtigen Musiker für die Gründung einer Band?
Thom: Dank Internet gibt es bereits viele Möglichkeiten. Wer eine einfache Google-Suche nach Musikern und Musikerportalen startet, wird schnell fündig werden. Dort findet man auch tatsächlich interessante Persönlichkeiten und du kannst auch selber dort inserieren.
Das System funktioniert an sich gut, aber oftmals driften leider die Vorstellungen von Musikrichtungen, musikalisch-technischen Niveau oder Probe-Intensität weit auseinander. Da kommt man häufig erst dann drauf, wenn man sich zur gemeinsamen Probe verabredet hat und loslegt. Wichtig ist, dass du nach bestem Wissen und Gewissen startest wie ein Profi.
“Meine Empfehlung: Sei am Anfang nicht zu wählerisch!”
Thom Caterpillar erklärt worauf es bei der Bandgründung wirklich ankommt
Emanuel Treu
Der Autor
Meine erste Band und Caterpillar
Ich nahm in meiner Teenagerzeit private E-Gitarre-Stunden bei Thom, weil ich meine erste Band gegründet hatte. Ich weiß noch genau, wie ich nach jeder Unterrichtsstunde meinen besten Freund und akustischen Gitarristen angerufen und ins Telefon gebrüllt habe: “Kuuuuuurt! Ich packs nicht! Ich hab so viel gelernt! Das muss ich dir erzählen.”
Ich hatte Thom in einer seiner ersten Unterrichtseinheiten außerdem mal gefragt: “Thom, wir wollen unsere Band Sprocket nennen, kann das ein Problem sein? Vielleicht heißt eine andere Band ja bereits so.”
Seine Antwort war damals: “Zumindest sind sie nicht so berühmt, dass du sie kennen würdest, also scheint die Konkurrenz nicht groß zu sein – der Rest liegt bei dir.”
Thoms beste Ratschläge habe ich in meiner Buchreihe beschrieben
Thom: Selbst, wenn die neu gegründete Band nicht in Traumbesetzung stattfindet: Du lernst so viel beim gemeinsamen Spielen. Sowohl im Umgang miteinander, als auch sich in ein musikalisches Ganzes einzufügen. Es gelten einfach komplett andere Regeln, je nachdem ob du im Studio spielst, oder im Proberaum, ob alleine oder gemeinsam. Der Lernprozess ist gewaltig.
Emi: Zu meiner Zeit gab es immer so Abrisszettel in Musikgeschäften und in Proberäumen. Kann man auch so Bandmitglieder finden? Bringt das was?
Thom: Hm… gute Frage. Meine zwei jüngsten Musiker habe ich tatsächlich im Internet gefunden, und das hat gut funktioniert. Wichtig ist, dass deine Musiker nicht zu weit entfernt wohnen. Wer eine Band in Wien hat, kann nur schwer einen Drummer aus Tirol engagieren. Insofern könnten so regionale, analoge Suchanfragen durchaus Sinn machen.
Emi: Auf welche Werte achtest du bei deinen Band-Members besonders? Die Eierlegende Wollmilchsau gibt’s ja wohl nicht, oder?
Thom: Es muss vor allem zwischenmenschlich passen. Entweder es rennt sehr professionell, oder es ist sogar beinahe freundschaftlich-familiär. Wichtig ist, dass beide Seiten derart empfinden und eine gute Basis entsteht, um professionell miteinander zu arbeiten.
Wenn es zum Beispiel unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie ein bestimmter Refrain instrumentiert werden sollte, ist es wichtig, sich fachlich und auf Augenhöhe darüber unterhalten zu können.
Das beste Mitglied einer Band nutzt dir nichts, wenn man nicht miteinander kann. Das bringt dich nicht weiter. Die musikalischen Fähigkeiten dürfen kein Thema sein. Eine Band ist nicht dafür da, dass einer sein Instrument lernt. Richtig gut spielen zu lernen braucht viel Zeit und eine ernste Herangehensweise!
Wer während der Proben zu üben anfängt, hat in einer professionellen Band nichts verloren. Das war es schon: Die musikalische Basis muss da sein und die zwischenmenschliche Chemie muss passen.
Ein zu freundschaftliches Verhältnis ist übrigens nicht immer gut! Vor allem dann, wenn einer in der Gruppe vielleicht öfter zu spät kommt oder seine Hausaufgaben nicht macht. In einem zu freundschaftlichen Verhältnis verzeiht man so etwas oft zu schnell und es stellen sich keine Veränderungen ein.
Emi: O.K. Gibt es sonst noch ein Ausschlusskriterium?
Thom: Verlässlichkeit! Jeder in der Band ist verantwortlich für alle anderen. Wenn eine Person regelmäßig zu spät kommt, kann das viele negative Konsequenzen für die restliche Band verursachen. Wenn dann dadurch vielleicht sogar der Soundcheck-Slot eines Gigs verpasst wird, kann eine komplette Eventplanung durcheinander kommen. Bei Veranstaltern bist du dann schnell unten durch.
Auch Streitereien, persönliche Befindlichkeiten, Alkohol und unfreundliche Gesten können ein großes Problem werden. Musiker müssen außerdem vorbereitet sein, ihre eigenen sieben Sachen beieinander haben und grundsätzlich im Interesse der Band handeln.
Emi: Über den Fakt, dass in einer Band gleich mehrere Personen dran hängen, hatte ich auch eine krasse Erkenntnis. Als ich wegen Kopfschmerzen mal einen Gig absagen wollte, hat mir mein Bandleader gleich damit gedroht, mich hinauszuwerfen.
Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass er kein unguter Typ war, sondern mir stattdessen bewusst machen musste, wie unverzichtbar die Anwesenheit aller Beteiligten im Band-Projekt ist.
Wie weit muss man als Musiker gehen, um verlässlich zu sein?
Thom: Weit. Auch in meiner Band gab es schon Auftritte mit Lebensmittelvergiftungen, Gips und Magengeschwüren. So ist das Business eben. Wenn du nicht ablieferst, wirst du nicht mehr gebucht.
Emi: Ist das nicht erbarmungslos?
Thom: Das ist einfach das Show-Business. Sieh dir die Profis im Geschäft an. Wenn ich an Leute wie Helene Fischer denke, dann gibt es da nie den Anschein, dass sie mal schwächelt. Ich glaub einmal hatte Helene Fischer einen Unfall auf der Bühne mit Blut im Gesicht und dann wurde der Gig abgebrochen.
Vermutlich hätten die Fans der Künstler sogar auch Verständnis für die Dinge, die so im Leben passieren, aber auf das Risiko lassen sich Profis eben erst gar nicht ein. Und ich auch nicht.
Angenommen, du bist in deiner Band zu fünft. Wie oft hat denn einer in der Truppe einen berechtigten Verhinderungsgrund: Kopfweh, Streit mit der Frau, Übelkeit, schlecht geschlafen, Tod des Hundes, … das hört gar nicht auf. Wenn das alles berechtigte Gründe wären, würde man ja nie gemeinsam auftreten können.
Noch schlimmer ist es, wenn es nicht um gesundheitliche Geschichten geht, sondern um Interessenskonflikte, wie große Konzerte, die am gleichen Termin stattfinden wie Geburtstage oder Hochzeiten von nahestehenden Familienmitgliedern, wie vom Bruder.
Emi: Boah, das ist tough. Was macht man da?
Thom: Ich würde spielen. (lacht) Sorry an meinen Bruder Paul.
Ich habe schon einen zweieinhalb Stunden langen Gig mit gebrochener Hand und gerissener Sehne gespielt. Am selben Gig habe ich meine Soli regelmäßig verlängert, weil unser Sänger sich hinter der Bühne immer wieder die Seele aus dem Leib gekotzt hat.
Emi: Das klingt ziemlich Hardcore. Ab wann muss man so weit gehen? Macht das erst Sinn, wenn es in der Band um etwas geht, oder ist das eine Grundeinstellung, die von Anfang an gegeben sein muss? Irgendwie ist es doch schwierig, auf viele soziale und familiäre Verpflichtungen zu verzichten, wenn es in der eigenen Combo noch kaum um etwas geht, oder?
Thom: Das ist ein Mindset, den du von Anfang an brauchst. Ich habe eigentlich noch nie in einer Hobbyband gespielt. Es gibt natürlich auch Bands, die sich einmal im Monat treffen, um drei Mal im Jahr im benachbarten Wirtshaus halbernst aufzutreten. Das war aber noch nie meins.
Hinter all dem potentiellen Verzicht steckt nämlich in Wirklichkeit die Frage: Wer bin ich? Bin ich Musiker und habe ich einen Brotjob nebenbei? Oder habe ich einen Brotjob und bin ich Musiker nebenbei? Du musst nicht gleich deinen Job kündigen!
Es geht dabei nicht darum, ob du einen Job neben deinem Musikschaffen hast, oder nicht. Das ist bei den meisten so. Es ist stattdessen lediglich eine Frage der Priorität und der inneren Einstellung.
Du darfst dir natürlich die Frage stellen, WIE du die Probleme, die auf dich zukommen löst, aber nicht, OB du die Probleme löst.
Emi: Wann klärt man die Prioritäten mit der Band? Man kann ja auch nicht gleich in der ersten Probe sagen: “Glaubt bloß nicht, noch irgendeine Hochzeit eurer Familienangehörigen zu erleben.”
Thom: Leider dauert es häufig lange, bis man draufkommt, dass Bandmitglieder nicht so durchziehen, wie sie es versprechen. Häufig ist das nicht aus Boshaftigkeit heraus, sondern sie glauben tatsächlich anfangs an gemeinsame große Ziele, aber handeln nicht entsprechend.
Dazu kommt, dass sich viele Bandmitglieder dann nicht eingestehen wollen, dass ihr Traum ein Traum bleiben wird, und machen der Band weiterhin etwas vor. Das ist dann der Moment, wo ich Sie als Bandleader darauf aufmerksam machen muss.
Emi: Könnte man nicht auch einfach ein Substitut aufbauen? Jemanden, der Band-Mitglieder im Verhinderungsfall ersetzt?
Thom: Bei den Frontsänger:innen ist das natürlich sehr schwer. Bei den Instrumentalist:innen ist das leichter möglich, aber es funktioniert auch nicht immer. Bei Bon Jovi hat man das zumindest gemerkt. Ohne den langjährigen Gitarristen Richie Sambora fehlt einfach zu viel. Die Songs nach Richies Absenz sind einfach nicht mehr top.
Emi: Bei Bands spielen ja immer wieder auch Emotionen eine große Rolle. Wie geht man mit sowas um, wenn es Streit gibt?
Thom: Wenn dauerhaft gestritten wird, oder auch nur einmal, aber mit einem nachhaltigen Effekt auf die Bandmitglieder, dann gibt es meistens Ursachen dafür, die außerhalb der Band ihre Ursachen haben.
Ein Beispiel wäre, wenn der Bassist seit 5 Jahren in einer Ehekrise lebt, Probleme mit dem Job hat und auch noch verschuldet ist. Irgendwann können sich die Gefühle derart aufgestaut haben, dass sie bei der Bandprobe ventiliert werden. Das ist auch durchaus nachvollziehbar.
Gerade in Bands werden Emotionen nahezu verlangt! Wenn die Herzschmerz-Ballade geprobt wird, dann verlangt das von Menschen in bestimmten negativen Lebenssituationen besonders viel ab, denn sie müssen sich in den Song hineinversetzen und das kann unter Umständen sehr schwer sein. So schwer, dass es nicht bewältigbar ist und dann den inneren Gefühlen freien Lauf gegeben wird.
Pro-Tipp: Private Schwierigkeiten offen in der Band ansprechen!
Das musikalische Miteinander steht bei einer Band im Zentrum, aber das bedeutet nicht, dass die Menschlichkeit außen vor gelassen wird. Im Gegenteil, gute Kommunikation kann zusammenschweißen. Manchmal muss man füreinander mehr als nur eine Band sein.
Emi: Wie muss man sich nun verhalten, um “professionell” zu wirken? Private Probleme draußen lassen und nur die Musik ins Zentrum stellen, oder doch Privates ansprechen, auch wenn man dann verletzlich wirkt?
Thom: Die Band sollte niemals zu dem einen, einzigen Bereich in deinem Leben hochstilisiert werden, in dem du glücklich werden kannst. Das kann eine Band nicht leisten. Gleichzeitig ist sie kein Seelenmistkübel, in den du deinen ganzen eigenen Ballast hineinwerfen kannst.
Emi: Da gebe ich dir recht. Ich befürchte, viele machen das.
Thom:
“Eine Band ist keine Selbsthilfegruppe!”
Am Anfang muss klar ausgesprochen werden, welche Erwartungshaltungen es auf beiden Seiten gibt und was im Gegenzug dafür geleistet werden kann. Gerade in der Phase der Bandgründung ist das wichtig, damit es im Nachhinein keine bösen Enttäuschungen gibt. Hier ist Offenheit besonders wichtig.
Bei Bands gibt es viel zu tun. Hier ist es erforderlich, dass du konkret bist. “Kannst und möchtest du Social-Media übernehmen? Einen von unseren drei Kanälen? Diesen müsstest du eine Stunde am Tag betreuen.” Genauso konkret muss das besprochen werden. Sollte die Antwort “Nein” sein, wofür es viele berechtigte Gründe gibt, muss ein anderer Aufgabenbereich gefunden werden.
Emi: Wie wird man Bandleader?
Thom: Im Regelfall ist das die Person, deren musikalische Vision mit dem Musikprojekt realisiert wird. Derjenige sucht sich Musiker, gibt der Band den Namen und übernimmt Verantwortung. Das passt eigentlich auch für alle.
Emi: Welche Tipps könntest du jemandem geben, der gerade jetzt eine Band gründen würde?
Thom: Du musst wirklich wissen, was du willst! Probleme ergeben sich vor allem dann, wenn die Anfragen zu allgemein sind. Anzeigen wie: Ich möchte eine Band gründen und suche Musiker zwischen Blues und Heavy Metal, funktionieren nie.
Es sollte nicht darum gehen, in einer Band etwas bestimmen zu wollen, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen. Im Projektmanagement gibt es die goldene Regel, dass es nur einen geben darf, der die Verantwortung für alle möglichen Tätigkeiten innerhalb des Projekts innehaben sollte. Sobald mehr als eine Person für dieselben Dinge verantwortlich ist, ist das Projekt zu scheitern verurteilt. In meinem Leben hat sich das stets zu 100% bewahrheitet..
Wenn also etwa der Keyboarder nicht zur Band passt, ist das dann nicht die Schuld des Keyboarders, sondern diejenige des Bandleaders, der diese Person ausgewählt hat. So weitreichend ist diese Verantwortung.
Emi: Ich finde das eine gute Sache. Man kann den Bandleader damit immer wie einen Kapitän sehen, der Verantwortung für alles hat, was auf seinem Schiff passiert.
Thom: Wenn es einem Band-Member schlecht geht, ist es ebenso die Verantwortung des Bandleaders, das anzusprechen. Das ist nicht immer angenehm, aber unter reifen Personen kann das helfen, vieles abzufangen. Das kann den Diskurs anregen und Verständnis in der ganzen Band hervorbringen.
Emi: Wie seid ihr in der Band Caterpillar zur Zeit aufgestellt?
Thom: Schlagzeug, Bass, Gitarre & Gesang. Unsere Sängerin spielt auch Rhythmusgitarre und sowohl unser Bassist, als auch ich singen im Background. Aktuell spiele ich ein bisschen mit dem Gedanken, auch auf einer Bühne einmal Klavier zu spielen. Vermutlich eine Ballade. Das darf sogar in einer Rockband mal sein.
Emi: Gibt es sonst noch ein Ziel mit deiner Band Caterpillar?
Thom: Ja. Wir wollen so viel wie möglich Live spielen. Deshalb machen wir das.
Emi: Gibt es einen abschließenden Tipp an junge Bands?
Thom: Du musst wissen, was du willst. Ich hab das schon gesagt, aber es ist eben so unglaublich wichtig. Versucht in der Band eine gemeinsame Vision zu haben. Das ist nicht einfach, aber kann viel bewirken. Auch ich habe mit einer Vision gestartet.
Emi: Thom, danke für das Gespräch und keep on rockin’
Thom: Hell yeah!
Thom Caterpillar
Im Interview
Thom ist ein absoluter Rock-Gitarren-Spezialist. Er beherrst die Spieltechniken vieler großer Gitarrenheros wie Paul Gilbert, Joe Satriani oder Steve Vai. Neben seinen Konzerten mit Caterpillar und seinen innovativen Unterrichtskonzepten, ist er auch Experte in Sachen E-Gitarren-Gear..
Von den richtigen Effektboards, über aktuelle Marktentwicklungen bis hin zu internationaler Repräsentanz der besten Gitarren-Equipment-Hersteller, unterstützt er die musikalische und gitarristische Entwicklung des österreichischen Musikstandorts maßgeblich.
Weil die Musik es wert ist!