Als einer der technisch versiertesten E-Gitarristen Österreichs, kennt Thom Caterpillar die Fehler, die viele Anfänger und fortgeschrittene Gitarristen beim Lernen machen. “Es ist nicht immer lustig”, sagt er und fügt hinzu, dass Disziplin erforderlich ist, um bei den Profis mitzuspielen. Im Interview verrät er seine Geheimnisse und worauf du achten musst, um von Anfang an alles richtig zu machen.
Emi: Wie erlangt man technische Expertise am Instrument?
Thom: Üben alleine reicht nicht. Du musst es wirklich wollen und ein Feuer in dir haben. Ohne eine gewisse Sehnsucht nach technischer Expertise wird es sehr schwer.
Definitiv ist Talent überbewertet. Das hilft vielleicht beim Starten und es motiviert, weil du schnell ein positives Feedback von deinen Freunden erhältst. Die Fortschritte durch Talent reichen aber nicht aus, um wirklich gut zu werden.
Ich persönlich fühle mich mit meiner Gitarre einfach kompletter als ohne.
Ich erinnere mich, dass ich früher in meiner Jugend immer meinen 800er Marshall neben dem Bett über Nacht aufgedreht stehen hatte. Das hat mich beruhigt, weil ich immer dachte: Wenn ich in der Nacht mit einer musikalischen Idee aufwache, kann ich gleich losspielen.
Nur wenn dieses Feuer beim Gitarristen tatsächlich da ist, ist Übung keine Quälerei. Das kann nämlich richtig anstrengend sein. Richtig gute Gitarrenlehrer können allerdings viel zur Übe-Moral beisteuern, das war immer schon so.
Heutzutage eignen sich auch Youtube und andere Videoformate gut um voranzukommen. Durch die multisensorische Rezeption (Sehen, hören, etc.) ist in diesen Formaten einfach ein höherer Informationsgehalt vorhanden. Egal welchen Weg du gehst, du musst wirklich viel üben. Da führt kein Weg dran vorbei.
Eines noch: Schubladendenken ist sowieso hinderlich. Vielseitige Genres erweitern den musikalischen Horizont. Das ist nunmal so.
Thom Caterpillar verrät im Interview worauf es ankommt um technische Expertise zu erlangen
Emanuel Treu
Der Autor
Gitarre lernen bei Thom Caterpillar
Thom war mein erster und wichtigster Gitarrenmentor in meiner Teenagerzeit. Ich habe während des Interviews immer wieder schmunzeln müssen, weil ich so viele Züge, die ich damals an ihm bewundert habe, heute noch in ihm sehe. Thom ist stets fokussiert, super sympatisch und hat einfach sehr viel gitarristische und musikalische Erfahrung.
Er verkörpert für mich nach wie vor das, was einen wahren Musiker ausmacht: Eine tolle Mischung aus musikalischer Expertise und emotionaler Herzlichkeit. Wer diesen Berg erklimmt, darf sich glücklich schätzen – er ist am Zenit angekommen. Mehr geht nicht.
Heute gebe ich als Musikercoach viele seiner wertvollen Lehren weiter.
Emi: Du hast gesagt, dass man ein Feuer spüren muss. Auf welche Art spürt man dieses Feuer, dass man wirklich gut werden will?
Thom: Ganz einfach: Dir ist egal, was alle anderen machen. Wenn deine Freunde in die Disko gehen, bleibst du zu Hause und übst Gitarre und dir fehlt es an nichts. Oder du hast Liebeskummer und bleibst zu Hause und schreibst eine Ballade. Mit deiner Gitarre im Anschlag fühlst du dich dann so, als ob das dein natürlicher Zustand ist.
Emi: Ich kann das gut nachvollziehen. Wenn ich an die Zeit in deinem Gitarrenunterricht zurückdenke, ging es mir auch oft so. Ich bin einfach zu Hause geblieben und habe die Übungen gemacht, die du mir gegeben hast. Du hast dieses Feuer nun schon so lange in dir. Ist das über Jahrzehnte immer so einfach?
Thom: “Einfach” ist das nur in einer perfekten Welt. Die gibt es aber nicht.
Ich hatte mal einen Sturz mit dem Mountainbike und habe mir dabei beide Arme gebrochen. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich habe beim Aufprall bemerkt – uff, da ist jetzt etwas Gröberes passiert. Mit den Armen habe ich dann noch das Mountainbike nach Hause geschoben und die Treppen hochgetragen. Am darauffolgenden Tag habe ich fünf Stunden geübt. Das war nicht lustig, aber ich habe einfach intuitiv geübt und habe den Prozess gar nicht hinterfragt.
“Der Weg ist das Ziel. Das gilt auch beim E-Gitarre lernen!”
Yngwie Malmsteen ist hier eines meiner Vorbilder. Auch er hatte einen Trümmerbruch. Danach hat er besser gespielt, als jemals zuvor. Du lernst dann einfach das Gitarrespielen von vorne, wenn es nötig ist. Für mich ist das einfach mein Weg. Ich denke da gar nicht so viel darüber nach.
Emi: Was hindert so viele Schüler daran, viel zu üben oder dieses Feuer zu spüren, von dem du erzählt hast? Was kannst du ihnen empfehlen, damit sie das meiste beim E-Gitarre lernen herausholen können?
Thom: Es ist sehr wichtig, dass du mit dir selbst im Reinen bist. Du musst wissen, wo deine Ängste und Sorgen sind. Es ist sogar eine sehr psychologische Sache. Du musst wissen, warum du überhaupt Musiker sein willst. Wenn du keinen starken Grund hast, wird es schwierig dieses Feuer und den Zug zu deinen Zielen zu entwickeln.
Geht es dir wirklich um die Musik, oder geht es dir nur um das Drumherum? Geht es vielleicht ums Geld, um den Fame, um Flucht aus dem Leben, um Protest, oder sonst etwas. Um das Instrument ernsthaft zu erlernen, sind all diese Gründe zu wenig.
“Wer E-Gitarre lernt, um einem sekundären Gut nachzueifern, ist selten gut am Instrument!”
Emi: Es gibt doch auch ein technisches Level, dass zum potentiellen kommerziellen Erfolg gar nichts mehr beisteuert, oder? Der übliche Radiohörer checkt ja gar nicht, dass der Gitarrist im Hintergrund mit 300 bpm irgendwelche brutalen Licks shredded.
Thom: Das stimmt. Darum geht es aber auch gar nicht. Ich finde technische Expertise nur deshalb wichtig, weil es dem Musiker dabei hilft, ohne Grenzen das umzusetzen, was er musikalisch ausdrücken möchte. Du wirst durch Technik einfach musikalisch unabhängig und limitierst nicht deine Ausdrucksformen.
Technische Expertise ist auch dann erforderlich, wenn du als Studiomusiker nach Jobs suchst. Du bist dann einfach vielseitig einsetzbar, wenn du dir zum Beispiel verschiedene Musikstile näher bringst. Wenn du diese Vielseitigkeit dann auf hohem Niveau beherrscht, kannst du genau der Gitarrist sein, den Produzenten immer wieder anrufen, wenn sie jemanden brauchen.
Emi: Nehmen Radiohörer heutzutage die hohen instrumentalen Fertigkeiten wahr, die im Hintergrund passieren? Selbst bei aktuellen Radiohits kommt es darauf ja nicht mehr an, oder?
Thom: In unserer älteren Generation vermutlich eher, als in der aktuellen. Die Musik, die zur Zeit läuft, forciert das aber nicht. Die aktuell heranwachsende Generation ist einfach gewohnt, dass Musik vorwiegend am Computer gemacht wird. Gitarren sind dann eher dazu da, um einen etwas “echteren” Sound zu erreichen. Manchmal muss ein Gitarrist auch nur aus Imagegründen herhalten.
Emi: Im Musikbusiness gibt es natürlich Trends. Auf starke Pendelausschläge folgen immer auch Gegenbewegungen. Der gesamte weltweite Gitarrenmarkt ist immer noch am wachsen und das Live-Geschäft boomt. Wenn jetzt jemand, ungeachtet des aktuellen Radiotrends, dennoch vor allem technisch ein versierter Gitarrist werden möchte – wo fängt man da an?
Thom: Die größte Herausforderung ist, dass beide Hände gut miteinander synchronisiert werden müssen. Auf anderen Instrumenten wie dem Klavier ist das nicht ganz so erforderlich, da das Instrument üblicherweise immer Töne produziert, sofern die Tasten nur gedrückt werden.
Auf der Gitarre fängt da bereits das Problem an: Erst wenn beide Hände synchron arbeiten, werden schöne Töne hörbar. Hier muss der Fokus liegen.
Emi: Gibt es so etwas wie eine schwache Hand?
Thom: Ja. Jeder Gitarrist hat eine schwache Hand. Wichtig ist, dass man die synchronisierenden Übungen in einem sehr langsamen Tempo spielt. So langsam, dass du die Übung fehlerfrei spielen kannst. Erst wenn das Gehirn viele korrekte Bewegungen abspeichert, ist technisches Wachstum erreichbar.
Die meisten Musiker sind zu ungeduldig und üben zu früh im Lernprozess mit zu schnellem Tempo. Dadurch speichert das motorische Zentrum regelmäßig schlechte Synchronizität der Hände ab und genau das sorgt dann für technische Stagnation bei Gitarristen.
Es ist recht einfach: Das motorische Zentrum im Gehirn kann einfach das, was man ihm am häufigsten gezeigt hat, am besten.
Pro-Tipp: Entlaste zum E-Gitarre lernen deine Hände und Unterarme
Reduziere alle übermäßigen Belastungen für deine Hände und Arme. Gewichtheben, Mountainbiken, Boxen, und derartige Tätigkeiten fordern viel von deinen Händen. Oft zu viel, um gute instrumentale, feinmotorische Fortschritte zu machen. Reduziere das.
E-Gitarre lernen ist letztendlich ein physischer Prozess. Deine gesamte körperliche Konstitution beeinflusst dein Gitarrespielen. Du brauchst gar nicht zu weit denken. Es ist auch kontraproduktiv schlecht zu schlafen, Alkohol zu trinken oder den ganzen Tag das Handy in einer Hand zu halten.
Emi: Kann auch das Instrument schuld daran sein, dass ein Gitarrist wenig Fortschritte erzielt, oder ist das nur eine Ausrede?
Thom: Das kann schon sein. Es gibt Instrumente, da geht es nicht. Ein paar hundert Euro musst du schon in die Hand nehmen für eine gute Gitarre. Gitarren unter hundert Euro werden zwar als Anfänger-Gitarren verkauft, aber auf denen kann nicht einmal ein Profi brillieren. Es gibt allerdings wirklich gute und günstige Gitarren für Anfänger.
Emi: Gibt es etwas, das du in deiner technisch gitarristischen Entwicklung anders gemacht hättest, wenn du es schon früher gewusst hättest?
Thom: Ja. Es ist zwar wichtig anfangs die Grundtechniken zu lernen, also Alternate Picking, Legato, Tapping, Sweeping, Rhythmusgitarren in cleanem und verzerrtem Sound und so weiter, aber ab dann würde ich empfehlen, was du in einem deiner Podcasts angesprochen hast:
“Üben für bessere Proben, Proben für bessere Gigs.”
Ansonsten monitorst du nur noch deine Technik, spielst alles hunderttausend Mal, aber dir fehlt die echte spieltechnische Praxis. In der gitarristischen Praxis kommt es einfach immer wieder zu Schwierigkeiten, die du in deinen Übe-Prozessen nicht berücksichtigt hast.
Wenn du nur Übungen übst, wirst du zwar besser, aber es ist wichtig, sehr bald tatsächlich anzuwenden, was du geübt hast.
Emi: Got it! Was gibt es aktuelles aus deinem Live-Geschäft zu berichten?
Thom: Wir haben mit Caterpillar viele größere Gigs in nächster Zeit. Ich freue mich auf das Metal Escalation Festival, wo wir bald auftreten werden.
Emi: Sehr fein! Wie können dich Leser, die es bis hier geschafft haben, erreichen oder deine Tätigkeiten näher verfolgen?
Thom: Am liebsten auf Youtube, aber du findest Caterpillar Rockmusic überall.
Emi: Gibt es noch einen abschließenden Appell, den du an die Leser richten möchtest?
Thom:
“Als Musiker, lern lieber was gescheites …”
“Mit so einem schrägen Jazz-Sound wirst du niemals Erfolg haben …”
“Egal was andere sagen: Zieh dein Ding durch und werde glücklich damit!”
Thom Caterpillar
Im Interview
Thom ist ein absoluter Rock-Gitarren-Spezialist. Er beherrst die Spieltechniken vieler großer Gitarrenheros wie Paul Gilbert, Joe Satriani oder Steve Vai. Neben seinen Konzerten mit Caterpillar und seinen innovativen Unterrichtskonzepten, ist er auch Experte in Sachen E-Gitarren-Gear..
Von den richtigen Effektboards, über aktuelle Marktentwicklungen bis hin zu internationaler Repräsentanz der besten Gitarren-Equipment-Hersteller, unterstützt er die musikalische und gitarristische Entwicklung des österreichischen Musikstandorts maßgeblich.
Weil die Musik es wert ist!